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[Limited] Von Signalen, Bomben und offenen Farben

von sinus, 07.11.2014 - 15:01 – Strategie · Spielvarianten

Oft ist es das, was einen guten Limited-Spieler von einem Anfänger unterscheidet: Das rasche Erkennen, welche Farben "offen" sind und wie sich damit ein spielstarkes Deck draften lässt. Signale lesen gilt dabei freilich nur für den Draft. Wie man im Sealed das beste aus seinem Kartenpool herausholt, lässt sich hier nachlesen.

Was bedeutet das überhaupt, wenn Spieler meinen, eine Farbe wäre "offen"? Statistisch gesehen wird jede Farbe eines Sets gleich oft geöffnet. Zumindest in der Theorie, auch wenn die Realität an einem Draft-Tisch mit acht Personen anders aussehen kann. Das Ziel des Drafts sind möglichst spielstarke Decks, deshalb ist eine ausgeglichene Verteilung der Farben logisches Ziel aller Teilnehmer. Das ist nicht immer so leicht, wie es klingt.

Je weniger Spieler sich um eine Farbe streiten, desto später bekommt man starke Karten für sein eigenes Deck. Um das Maximum aus einem Draft herauszuholen gilt es also, möglichst schnell zu erkennen, welche Farben "offen" sind, also von weniger Spielern gepickt werden, als es eigentlich passieren sollte. Daneben gibt es ein weiteres, relevantes Kriterium: Der Spieler auf der rechten Seite schiebt einem zwei ganze Booster weiter. Im Idealfall sollte dieser also in anderen Farben landen, als man es selbst tun will. Noch besser freilich, wenn auch ein weiterer Spieler davor keine Karten der gleichen Farben pickt.

Von Bomben und First-Picks
Woran erkennt man, dass eine Farbe offen ist? In jedem Set gibt es "Bomben", die von der nahezu gesamten Community als "klare First-Picks" bezeichnet werden, also Karten, die jeder Spieler in seinem ersten Pack bedingungslos über nahezu jeder anderen Karte wählen würde. Wenn eine solche "Bombe" also Pick 3 oder 4 vorbeikommt, hat man ein recht starkes Indiz gefunden. Daneben gibt es eine unüberschaubare Anzahl weniger eindeutiger Signale. Starke Uncommons und Commons einer Farbe, die gemeinsam nach einigen Picks noch ihre Runden ziehen, können durchaus Bedeutung haben. Das ist von Set zu Set unterschiedlich. Denn manche Editionen (beispielsweise Khans of Tarkir) sind mit einer Fülle von spielbaren Karten ausgestattet, in anderen Sets findet man nach wenigen Picks schon nur mehr Müll, den man lieber nicht spielen würde. Alle diese Eigenheiten von Editionen haben einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Signale und die Interpretation derselben.

Garantien gibt es beim Lesen von Signalen nicht. Niemand kann sicher sein, dass nicht die gleiche Bombe als Foil-Version im Booster war. Niemand kennt alle farblichen Präferenzen der Spieler am Tisch. Jeder Spieler evaluiert Karten zumindest leicht unterschiedlich.

Werden Bomben relativ spät noch über den Tisch geschoben, ist es zumindest ratsam, der Farbe seine Aufmerksamkeit zu schenken: Waren starke Karten der Farbe in den Packs davor? Was kommt nach der Bombe in der scheinbar offenen Farbe nach? Welche Karten habe ich in der Farbe schon geschoben? Vor allem die letzte Frage ist oft schwierig. Denn während man die Signale seiner Nachbarn liest, schickt man unweigerlich weitere Signale aus. Will ich in eine "offene" Farbe wechseln und habe in den ersten drei Boostern starke Karten der Farbe nach links geschoben, ist es wahrscheinlich, dass mein linker Nachbar in der Farbe gelandet ist. Das hätte zur Folge, dass ich im zweiten Booster, welches gegen den Urzeigersinn läuft, wenig in der Farbe sehen werde.

Alles eine Frage der Übung
Signale lesen und ihnen Beachtung schenken hat vor allem etwas mit Übung zu tun. Man wird sich in seinen ersten Draft-Erfahrungen kaum merken, wie viele starke Karten jeder Farbe man gesehen hat, wie viele man davon weitergereicht hat und was potenziell die ganze Runde über den Tisch schafft und wieder zu einem zurückkommen wird. Dennoch sind Signale keine komplexe Wissenschaft. Vielmehr etwas, was einem beim regelmäßigen Limited Spielen bewusst wird. Dann kann es schon einmal passieren, dass man die grüne Karte pickt, die schlechter ist, als die rote Bombe mit zwei anderen starken roten Karten im Booster. Sollen sich doch die anderen um die schönsten Gebirge streiten.

Natürlich bleiben Signale auch später im Draft noch von Bedeutung. Daran schließen sich eine Menge weiterer oft schwieriger Entscheidungen an. Wann ist es zu spät, eine Farbe zu wechseln? Wie lange soll ich in nur einer Farbe bleiben, um herauszufinden, welche Zweitfarbe offen ist? Lohnt sich in Pack 3 noch ein Farbsplash für eine weitere Farbe, weil man eine absolute Limited-Bombe geöffnet hat?

Alle diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten und sind immer nur im Kontext einer konkreten Limited-Umgebung zu beurteilen. Aber genau das ist einer der spannenden Faktoren der Draft-Formate: Bis ein Set vollständig erforscht ist und jeder die "richtige" Entscheidung im Schlaf beherrscht, kommt auch schon die nächste Edition.

Hier geht es zu den weiteren Teilen der Serie:

[Limited] Lasst uns mit limitierten Ressourcen Magic spielen

[Limited] Lasst uns das Beste aus sechs Boostern machen



9 Kommentare

#1Jashin   ICQ kommentiert:  11.11.2014 - 20:05 Uhr

Komisch, dass hier niemand zu sagen will...
Ich finde das Ansinnen gut, finde aber, dass du viel zu allgemein bleibst, um echten Mehrwert daraus ziehen zu können. Wahrscheinlich müsste man hier mit realen Packs und Pickentscheidungen arbeiten, was aber schwer visuell aufzuarbeiten ist.

#2sinus   kommentiert:  11.11.2014 - 21:00 Uhr

Vielen Dank für dein Feedback. Du triffst den Nagel auf den Kopf, die allgemeine Ausrichtung ist mir beim Schreiben schon bewusst geworden. Ich versuche dennoch grundsätzlich, so weit wie möglich zu bleiben. Über ein vergangenes Draft-Format zu schreiben macht in meinen Augen wenig Sinn. In Khans of Tarkir gelten derzeit eigene Gesetze, denn aufgrund der dreifärbigen Ausrichtung des Sets ist es höchst unwahrscheinlich, dass dein Nachbar nicht in mindestens einer deiner Farben ist.

Deshalb bin ich zur ursprünglichen Idee zurück: Ein paar Einblicke zu geben, Begriffen eine Bedeutung zu geben und die "Furcht" vor dem Limited-Spielen zu nehmen.

Konkrete Entscheidungen mit Bildern sind wahrscheinlich schon möglich, aber es gibt in den Weiten des Netzes unzählige Profis, denen man Tag für Tag beim Draften zusehen kann. Und teils kommentieren die auch noch gut. Oder lustig.

#3severin    Online-Magic kommentiert:  12.11.2014 - 00:38 Uhr

Die Pickorder eines konkreten Sets kristallisiert sich in den ersten Wochen oder auch erst Monaten heraus, darüber einen Artikel zu schreiben, halte ich auch nicht für sinnvoll. Da ist ausprobieren oder anderen beim ausprobieren zusehen der bessere Weg.

Generell lässt sich zwar einiges über Limited Magic sagen, aber immer nur mit einem "normalerweise" oder "meistens" versehen. Das heißt nicht, dass es für neue Spieler nicht hilfreich ist. Man muss nur darauf hinweisen, dass jede Edition ihre eigenen Regeln hat, die mehr oder weniger von der "Richtlinie" abweichen.

Themen, die man noch behandeln könnte sind:
- Manakurve: Wieder unter der Berücksichtigung, dass es schnellere und langsamere Limited Umgebungen gibt, aber diese Unterschiede kann man ja berücksichtigen.
- Set Charakteristika: Eigenheiten innerhalb Sets, die man im Hinterkopf haben sollte. Beim aktuellen Khans zb, dass keine Morph Kreatur mit geringeren Morph Kosten als 5 vorteilhaft eine verdeckte Kreatur in einen Hinterhalt locken kann. Ebenso kann man die "magische" Stärke/Widerstandskraft in einem Set bezogen auf Removal und Stärke/Widerstandskraft der anderen spielbaren Kreaturen herausfinden, oder auch einfach darauf zu achten, welche Combat Tricks es gibt und welche der Gegner spielen könnte, basierend auf seinem verfügbaren Mana.
- häufige Archetypen: weiß nicht ob das Sinn macht, aber ein Gx Aggro oder UW Fliers Deck gibt es in vielen Editionen. Sonst kann man darauf achten, welchen Farbkombination gut miteinander synergieren=funktionieren.

#4sinus   kommentiert:  12.11.2014 - 18:03 Uhr

Danke für die Anregungen.
Bin da ganz bei dir. Wer ein Beispiel aus Khans of Tarkir möchte, braucht sich nur die beiden Verzauberungen im Uncommon-Bereich Geheime Pläne (Secret Plans) und Ausbeute der Plünderer (Raiders' Spoils) ansehen. Die gingen von "unspielbar" am Prerelease-Wochenende bis zum Firstpick. Wobei sie von manchen Spielern immer noch als eher unspielbar eingestuft werden.

Bei der Manakurve lässt sich sicherlich einiges an allgemeinen Tipps und Hilfestellungen geben. Das klingt sinnvoll. Set Charakteristika sind wohl auch für Leute interessant, die schon das eine oder andere Mal Limited gespielt haben, aber gerne einen besseren Einblick in ein neues Format bekommen.

Bei der Synergie von Farbkombinationen sind gerade die Wedges (zumindest teilweise) die klassische Ausnahme, die die Regel durchbricht ;-)

#5Jashin   ICQ kommentiert:  12.11.2014 - 20:02 Uhr

Geheime Pläne (Secret Plans) ist awesome! Man draftet einfach so viele Morphs wie möglich und begräbt den Gegner im Kartenvorteil!
Zum Thema Manakurve könnte man sich auch über die Anzahl der Länder auslassen - das ist eine der Fragen, die man von unerfahrenen Spielern immer wieder gefragt wird: "Wie viele Länder spiele ich denn in dieser Edition/in diesem Deck?"

#6Nik aus Otaria   kommentiert:  25.11.2014 - 19:33 Uhr

@sinus:
Ich finde den Artikel – wie auch die vorangegangenen – als Einstieg sehr gut; auch, wenn natürlich konkrete Entscheidungen noch besser wären. Das würde aber vielleicht auch einfach den Rahmen sprengen.

Ich selber spiele selten (weil ich nicht so oft dazu komme), aber ziemlich gerne Drafts. Mir ist es aber schon relativ häufig passiert, dass ich im Verlauf des Drafts eine gute Karte aus einer Farbe geschoben bekam, die ich bis jetzt nicht hatte. Sagen wir mal eine rote, obwohl ich eigentlich blau/weiß bin. Ich gebe die Karte für eine mittelmäßige weiße Karte weiter, da diese in meinem angestrebten Deck ganz gut ist. Später kommen noch mehr rote Karten, die ich aber alle mit der gleichen Begründung weitergebe; zudem denke ich mir: „Du hast jetzt schon die rote Karte XY weitergegeben; das würde von den Signalen überhaupt keinen Sinn ergeben.“ Und am Ende des Drafts stelle ich fest, dass ich ein richtig gutes Wr-Deck hätte haben können... Irgendwie scheint dieses Phänomen auch häufiger in Hauptsets aufzutreten. Gibt es da einen Richtwert, wann man doch (noch) die Farbe wechselt? Jede weitere Karte macht den Wechsel ja schlechter; aber zugleich werden auch die Signale eindeutiger. Hast Du einen Tipp?


@Jashin:
Spielt man nicht einfach standardmäßig 17 (nach neuen Überlegungen eher 18) Länder?

#7sinus   kommentiert:  27.11.2014 - 11:26 Uhr

@Nik: Genau das ist die Kunst daran. Es gibt wenig sinnvolle "Faustregeln", wann es sich auszahlt, in eine Farbe zu gehen. Es spielen meist eine ganze Menge Überlegungen zusammen - mit vielen unbekannten Variablen. Ein paar Überlegungen, die in meinen Augen sinnvoll sind, kann man in einer solchen Situation aber immer anstellen:

1. Was verliere ich, wenn ich die Karte einer anderen Farbe picke? Heißt im Klartext "verzichte ich auf eine Karte, die ich definitiv spielen würde, wenn ich in meinen Farben bleibe, die mein Deck besser macht". Wenn ich nur eine Karte "verliere", die mein Deck auffüllt, bin ich eher bereit, den Pick zu riskieren.

2. Handelt es sich um einen Pick, für den sich ein Splash auszahlen würde? Starkes Removal stellt den Spieler oft vor eine solche Situation. Daran anschließend stellt sich natürlich die Frage, wie hart die Karte von den Farbanforderungen ist.

3. Befinde ich mich in einer Farbe, die "auszutrocknen" scheint? Wenn ich nach meinen ersten drei Picks keine starken Karten in meiner Hauptfarbe mehr gesehen habe, die ich wirklich spielen will, bin ich eher geneigt, die Farbe zu wechseln.

4. Welche Formen von mehrfärbigen Decks und Splashes lässt das Set zu? In Khans of Tarkir ist es beispielsweise recht einfach zu splashen. Andererseits können potenziell starke Picks zumindest als Morph spielbar sein.

5. Passen die Karten von zumindest einer Farbe, die ich bereits gepickt habe, in eine Strategie, in die ich wahrscheinlich wechseln würde? Wenn deine Picks bis dato sehr control-lastig sind und du einen starken Pick für ein Aggro-Deck in einer anderen Farbe hättest, passt das Ergebnis oft schlechter zusammen.

Dann gibt es noch so allgemeine Faktoren: Wenn eine Farbe in Pack 2 offen erscheint, von der du im ersten Booster nichts gesehen hast, ist es wahrscheinlich, dass du auch im dritten Pack nichts von der Farbe siehst. Also spielt der Zeitpunkt eine Rolle.

Zu deinem Beispiel (ich gehe vom ersten Booster aus): Wenn eine Farbe wirklich offen erscheint und du das Gefühl hast, dass das Wechseln nach oben genannten Fragen Sinn machen könnte, macht das von dir weitergegebene Signal einer einzelnen Karte kaum einen relevanten Unterschied. Dein linker Nachbar kann in anderen Farben sein und die rote Karte ebenfalls weiter schieben. Er kann auch von Anfang an in rot gewesen sein. Oder er geht tatsächlich dank dieser ersten Karte ebenfalls in die Farbe rot. Dann sieht er von dir aber im Pack 1 keine weiteren starken roten Karten. Im zweiten Booster kann er dich dann von rot abschneiden. Das hätte aber ohnehin passieren können. Im dritten Booster hast du dafür quasi wieder die Entscheidungshoheit.

Zu meinem Draftverhalten: In Pack 1 wechsle ich grundsätzlich recht schnell und gerne. Da ist einfach nichts in Stein gemeißelt. Und man verzichtet auf wenig, wenn man ein paar seiner Picks nicht spielen kann. Deshalb versuche ich auch (natürlich je nach Set) recht lange offen zu bleiben und mich nicht zu schnell festzulegen. Das erhöht die Chance, für jedes Deck, das am Ende herauskommen kann, ein paar solide Picks dabei zu haben. In Pack 2 und 3 geht es hauptsächlich um potenzielle Splashes. Das ist schon wirklich der Ausnahmefall, dass ich plötzlich von einer meiner Farben so abgeschnitten werde, dass ich sie komplett links liegen lasse.

Zu der Landdiskussion: Ich halte immer schon wenig bis gar nichts von irgendwelchen Statistiken. Die gewinnen schlicht keine Drafts. Ein Deck, dem das Early Game fehlt, wird mit 17 Ländern genauso wenig gewinnen, wie mit 19. Und eine generell "richtige" Anzahl von Ländern zu behaupten, ohne auf die Inhalte des Decks einzugehen, ist genauso schwachsinnig. Es kommt darauf an. Khans ist sicherlich ein Format, in dem von 17 bis 19 alles richtig sein kann. Ein 16-Land-Deck habe ich in dieser aktuellen Limited-Umgebung noch nicht gesehen.

#8Nik aus Otaria   kommentiert:  02.12.2014 - 19:11 Uhr

@sinus:
Danke für Deine Einschätzungen beziehungsweise Erfahrungen!

Zu der Länderanzahl: Ich habe bis jetzt irgendwie fast immer 17 (selten auch mal 18) Länder gespielt und bin damit ganz gut zurechtgekommen – unabhängig von der Edition. Das schien mir bis jetzt immer ein ganz guter Richtwert zu sein; aber ich bin ja auch kein Profi.

#9sinus   kommentiert:  04.12.2014 - 20:20 Uhr

@Nik:
In Khans of Tarkir sind sicherlich 80-85% der Decks klar mit 18 Ländern am besten bedient. Das ist stark mit den Eigenheiten des Sets verbunden. Delve + Morph-Kosten schrauben die Kurve schnell in die Höhe, zusätzlich gibt es meist auch im Lategame noch genug mit dem vorhandenen Mana zu tun. Wenn man davon als (setbedingtem) Richtwert ausgeht, ist es klar, dass die aggressiven Decks mit niedriger Kurve, billigem Removal (selten!) und wenigen teuren Un-Morph-Kosten auf 17 Länder setzen können. Sultai-Decks mit hohem Delve-Anteil, teuren Beatern und teurem Removal greifen dann (in wenigen verbleibenden Fällen) zu 19 Ländern.


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