von Mario Haßler, 12.08.2008 - 22:32 – Regeln
In der ersten Folge von MARIOS REGELERLÄUTERUNGEN ging es um aktivierte Fähigkeiten. Heute sind die ausgelösten Fähigkeiten dran.
Zur Erinnerung:
Aktivierte Fähigkeiten werden aktiviert, d. h. wie ein Spruch gespielt. Dazu muss man zunächst Priorität haben, dann kündigt man das Vorhaben an, wählt die Ziele und zahlt die Kosten. Ist das geschehen, wandert die aktivierte Fähigkeit auf den Stapel.
Ausgelöste Fähigkeiten spielt man nicht, sie werden automatisch ausgelöst, wenn das entsprechende Ereignis eintritt oder der angegebene Zeitpunkt gekommen ist. Auch hier muss man gegebenenfalls die Ziele wählen, bevor die Fähigkeit auf den Stapel geht, aber das ist auch alles, was man der ausgelösten Fähigkeit noch mit auf den Weg geben kann.
Ausgelöste Fähigkeiten
Ausgelöste Fähigkeiten erkennt man an Schlüsselwörtern:
→ Wenn... (engl. When...)
→ Immer wenn... (Whenever...)
→ Zu Beginn... (At the beginning of...)
→ Am Ende... (At end of...)
Diese Schlüsselwörter müssen nicht unbedingt am Anfang der Fähigkeit stehen, Beispiele:
→ Opfere die Kreatur am Ende des Zuges.
→ Ziehe zu Beginn deines Versorgungssegments eine Karte.
Das auslösende Ereignis kann alles Mögliche sein: Wenn du keine Karten auf der Hand hast, immer wenn ein Spieler einen blauen Zauberspruch spielt, zu Beginn deiner ersten Hauptphase, am Ende des Kampfes usw. Jedesmal, wenn das auslösende Ereignis eintritt, wird die Fähigkeit ausgelöst und geht auf den Stapel, wo sie auf Verrechnung wartet.
Beispiel: Der Mondring-Spiegel hat eine ausgelöste Fähigkeit mit dem Text "Immer wenn du eine Karte ziehst, entferne die oberste Karte deiner Bibliothek verdeckt ganz aus dem Spiel." Diese Fähigkeit wird nicht nur ausgelöst, wenn du deine reguläre Karte im Ziehsegment ziehst, sondern auch, wenn du aufgrund eines anderen Effekts eine Karte ziehst, z. B. durch die Besessene Forschung.
Beispiel: Im Spiel ist ein Ätherblitz ("Immer wenn eine Kreatur ins Spiel kommt, fügt der Ätherblitz dieser Kreatur 2 Schadenspunkte zu."). Du bringst eine 2/2-Kreatur ins Spiel, wodurch die Ätherblitz-Fähigkeit ausgelöst wird und auf den Stapel geht. Du könntest nun mit einer aktiverten Fähigkeit oder einem Spontanzauber (z. B. Riesenwuchs) die Widerstandskraft deiner Kreatur erhöhen, bevor die 2 Schaden tatsächlich zugefügt werden, und somit dafür sorgen, dass deine Kreatur den Schaden überlebt.
Wenn das Ereignis mehrfach gleichzeitig eintritt, dann wird die Fähigkeit für jedes Ereignis einmal ausgelöst und geht auf den Stapel. Wenn das Ereignis mehrere Fähigkeiten auslöst, gehen sie alle auf den Stapel.
Beispiel: "Immer wenn eine Kreatur aus dem Spiel auf einen Friedhof gelegt wird, zieht ihr Beherrscher eine Karte" löst für jede Kreatur, die ein globaler Abräumer wie Zorn Gottes auf den Friedhof schickt, einmal aus. Sterben auf diese Weise z. B. sechs Kreaturen, dann geht die Fähigkeit sechsmal auf den Stapel.
Beispiel: Du hast einen Giftbauch-Oger ("Immer wenn eine andere Kreatur ins Spiel kommt, verliert ihr Beherrscher 1 Lebenspunkt.") und zwei Seelenwächter ("Immer wenn eine andere Kreatur ins Spiel kommt, erhältst du 1 Lebenspunkt dazu.") im Spiel. Dein Gegner bringt eine Kreatur ins Spiel. Alle drei Fähigkeiten werden ausgelöst und gehen auf den Stapel, wodurch dein Gegner 1 Lebenspunkt verliert und du zweimal 1 Lebenspunkt dazu erhältst.
Wenn mehrere ausgelöste Fähigkeiten gleichzeitig auf den Stapel gehen, bestimmt ihr Beherrscher die Reihenfolge. Wenn mehrere ausgelöste Fähigkeiten von verschiedenen Spielern gleichzeitig auf den Stapel gehen, legt zuerst der aktive Spieler (der Spieler, der am Zug ist) die von ihm kontrollierten Fähigkeiten in der gewünschten Reihenfolge auf den Stapel, dann der andere Spieler die Fähigkeiten, die er kontrolliert. Das bedeutet, dass die Fähigkeiten des aktiven Spielers zuletzt verrechnet werden.
Beispiel: Du hast wie im letzten Beispiel einen Giftbauch-Oger und zwei Seelenwächter im Spiel. Du hast nur noch 1 Lebenspunkt. Wenn du nun eine Kreatur ins Spiel bringst, kannst du alle drei Fähigkeiten in beliebiger Reihenfolge auf den Stapel legen. Du solltest die vom Giftbauch-Oger nicht nach oben legen, denn dann würde sie zuerst verrechnet, und du würdest mit 0 Lebenspunkten das Spiel verlieren. Legst du sie dagegen zuerst auf den Stapel und dann die der Seelenwächter oben drauf, erhältst du bei Verrechnung zunächst zweimal 1 Lebenspunkt dazu und verlierst dann 1 Lebenspunkt.
Beispiel: Beide Spieler haben nur noch 2 Lebenspunkte, und jeder hat einen Ansteckenden Wirt im Spiel ("Wenn der Ansteckende Wirt aus dem Spiel auf einen Friedhof gelegt wird, verliert ein Spieler deiner Wahl 2 Lebenspunkte."). Durch einen Erdstoß sterben beide gleichzeitig, aber dadurch verlieren nicht beide Spieler gleichzeitig ihre letzten Lebenspunkte: Der aktive Spieler legt die ausgelöste Fähigkeit von seinem Ansteckenden Wirt zuerst auf den Stapel und wählt seinen Gegner als Ziel. Der Gegner legt die ausgelöste Fähigkeit von seinem Ansteckenden Wirt oben auf den Stapel und wählt den aktiven Spieler als Ziel. Letztere wird zuerst verrechnet und bringt die Lebenspunkte des aktiven Spielers auf 0. Er verliert das Spiel, bevor die Fähigkeit von seinem Ansteckenden Wirt den Gegner töten kann.
Ausgelöste Fähigkeiten stehen, wie aktivierte Fähigkeiten auch, meistens auf bleibenden Karten. Wenn die bleibende Karte im Spiel ist, wenn das auslösende Ereignis eintritt, dann geht die ausgelöste Fähigkeit auf den Stapel. Ab dann ist es egal, was mit der Karte passiert, von der die Fähigkeit stammte – die Fähigkeit wird auch dann verrechnet, wenn ihre Quelle bis dahin das Spiel verlassen hat. Auch das ist nicht anders als bei aktivierten Fähigkeiten.
Beispiel: Du hast eine Verzauberung mit dem (erfundenen) Text "Immer wenn du eine Hexerei spielst, ziehe eine Karte" im Spiel. Du spielst eine Hexerei, wodurch die Fähigkeit ausgelöst wird und oberhalb der gerade gespielten Hexerei auf den Stapel geht. Es ist egal, ob dein Gegner nun in Reaktion darauf die Verzauberung zerstört oder ob er deine Hexerei neutralisiert – die ausgelöste Fähigkeit existiert unabhängig von ihrer Quelle und dem auslösenden Ereignis auf dem Stapel und wird verrechnet werden.
Es gibt aber auch ausgelöste Fähigkeiten, die durch einen Effekt erzeugt werden. Dabei handelt es sich oft um verzögert-ausgelöste Fähigkeiten.
Beispiel: Der Text von Durch den Durchbruch lautet "Du kannst eine Kreaturenkarte aus deiner Hand ins Spiel bringen. Diese Kreatur hat Eile. Opfere diese Kreatur am Ende des Zuges. [...]". Als Spontanzauber wird Durch den Durchbruch nach Verrechnung auf den Friedhof gelegt und ist am Ende des Zuges gar nicht mehr "präsent". Trotzdem wird die verzögert-ausgelöste Fähigkeit, die dieser Zauberspruch erzeugt hat, am Ende des Zuges ausgelöst. Wenn sie verrechnet wird, opferst du die Kreatur.
Ausgelöste Fähigkeiten können auch Bedingungen enthalten:
→ Wenn / Immer wenn / Zu Beginn / Am Ende..., falls ..., ... (engl. ..., if...)
Solche Bedingungen werden zweifach geprüft: Wenn die Bedingung nicht zutrifft, wenn das auslösende Ereignis eintritt, dann wird die Fähigkeit gar nicht erst ausgelöst und nichts weiter passiert. Trifft die Bedingung zu, geht die ausgelöste Fähigkeit auf den Stapel; wenn sie verrechnet wird, wird die Bedingung nochmals geprüft, und nur wenn sie dann auch zutrifft, hat die Fähigkeit den angegebenen Effekt.
Beispiel: Der Text von Verborgenes Wissen lautet "Zu Beginn des Ziehsegments eines Spielers zieht dieser Spieler zusätzlich eine Karte, falls das Verborgene Wissen nicht getappt ist." Zu Beginn deines Ziehsegments ist das Verborgene Wissen getappt – die Fähigkeit löst nicht aus, du ziehst keine Karte.
Beispiel: Wie vor, nur ist zu Beginn deines Ziehsegments das Verborgene Wissen nicht getappt – die Fähigkeit löst aus und geht auf den Stapel. In Reaktion darauf nutzt ein Spieler seine Reliktenbarriere, um das Verborgene Wissen zu tappen. Wenn die ausgelöste Fähigkeit schließlich verrechnet wird, wird festgestellt, dass die Bedingung nicht mehr zutrifft, also macht die Fähigkeit nichts, und du ziehst schon wieder keine Karte.
Und schließlich können ausgelöste Fähigkeiten noch Entscheidungen enthalten, die den Effekt der Fähigkeit bestimmen. Dazu zählen auch solche ausgelöste Fähigkeiten, die einen Spieler auffordern oder ihm die Möglichkeit einräumen, Mana zu bezahlen. Und diese Manasymbole erinnern so manchen Magic-Spieler dermaßen stark an aktivierte Fähigkeiten, dass er gar nicht merkt, dass es keinen Doppelpunkt gibt.
Beispiel: Die Energiefluktuation verleiht jedem Artefakt die Fähigkeit "Opfere dieses Artefakt zu Beginn deines Versorgungssegments, falls du nicht bezahlst“, die du klar als ausgelöste Fähigkeit identifizierst. Du kontrollierst dummerweise mehrere Artefakte, also geht die Fähigkeit von jedem dieser Artefakte zu Beginn deines Versorgungssegments auf den Stapel. Jede wird einzeln verrechnet und lässt dich für das jeweilige Artefefakt bezahlen oder Abschied nehmen.
Beispiel: "Du kannst zu Beginn deines Versorgungssegments zahlen. Falls du das tust, ziehe eine Karte; falls nicht, wirf eine Karte aus deiner Hand ab" ist eine (ausgedachte) ausgelöste Fähigkeit. Sie geht zu Beginn deines Versorgungssegments auf den Stapel, und erst wenn sie verrechnet wird, entscheidest du dich zu zahlen oder nicht, mit dem einen oder anderen Ergebnis.
Bei Text mit dem Wörtchen "Sowie..." (engl. "As...") – z. B. in "Sowie diese Kreatur ins Spiel kommt,..." – handelt es sich übrigens nicht um ausgelöste Fähigkeiten. Solcher Text wird ausgewertet, unmittelbar bevor das angegebene Ereignis eintritt, und es geht keine Fähigkeit auf den Stapel.
Beispiel: Der Legierungsgolem hat den Text "Bestimme eine Farbe, sowie der Legierungsgolem ins Spiel kommt. Der Legierungsgolem hat die bestimmte Farbe." Der Legierungsgolem hat die Farbe bereits, wenn er ins Spiel kommt. Es gibt keine Fähigkeit, die auslöst, wenn er ins Spiel kommt, und die erst auf den Stapel geht und verrechnet werden muss. Er ist zu keinem Zeitpunkt im Spiel farblos.
Zusammenfassung und Vergleich
Aktivierte Fähigkeiten haben den Aufbau [Kosten]: [Effekt]. Um eine aktivierte Fähigkeit zu spielen, bezahle ihre Kosten.
Ausgelöste Fähigkeiten erkennt man an den Formulierungen: Wenn..., Immer wenn..., Zu Beginn... und Am Ende....
Der wesentliche Unterschied ist: Aktivierte Fähigkeiten verlangen ein aktives Handeln, d. h. man benötigt Priorität und muss Kosten bezahlen. Ausgelöste Fähigkeiten werden hingegen ohne weiteres Dazutun ausgelöst, wenn das auslösende Ereignis eintritt, ohne dass man dies steuern kann und ohne dass man dazu Priorität benötigt. Durch Fremdeinwirkung werden niemals aktivierte Fähigkeiten "aktiviert" – es gibt kein "aktiviert werden" in Magic, sondern nur "aktivieren" und "ausgelöst werden".
Die Gemeinsamkeiten sind: Sowohl aktivierte als auch ausgelöste Fähigkeiten können gezielt sein. Bei aktivierten Fähigkeiten werden die Ziele gewählt, wenn die Fähigkeit gespielt wird; bei ausgelösten Fähigkeiten werden die Ziele gewählt, wenn die Fähigkeit auf den Stapel gelegt wird. Sobald eine aktivierte oder eine ausgelöste Fähigkeit auf dem Stapel ist, existiert sie unabhängig von ihrer Quelle. Die Fähigkeit wird verrechnet, auch wenn die bleibende Karte, von der sie stammt, dann nicht mehr im Spiel ist.
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